Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung: Wenn die Zahlen fehlen – greift das Finanzamt zur Schätzung

  2. Was ist eine steuerliche Schätzung?

  3. Wann darf das Finanzamt schätzen?

  4. Welche Steuerarten sind betroffen?

  5. Wie hoch darf das Finanzamt schätzen?

  6. Was kann gegen eine Schätzung unternommen werden?

  7. Wie können Schätzungen vermieden werden?

  8. Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei Schätzungen?

  9. Was sind typische Fehlerquellen bei Steuerpflichtigen?

  10. Fazit und Handlungsempfehlung

1. Einführung: Wenn die Zahlen fehlen – greift das Finanzamt zur Schätzung

In Deutschland sind alle Steuerpflichtigen gesetzlich verpflichtet, ihre steuerlichen Verhältnisse ordnungsgemäß darzulegen. Das geschieht in der Regel durch eine Steuererklärung, die auf Basis von Aufzeichnungen, Belegen oder einer vollständigen Buchführung erstellt wird. Doch was passiert, wenn diese Angaben fehlen, unvollständig sind oder Zweifel an ihrer Richtigkeit bestehen? In solchen Fällen greifen die Finanzbehörden auf eine besondere Möglichkeit zurück: die Schätzung.

Die Schätzung stellt kein außergewöhnliches Instrument dar, sondern ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren. Sie dient dazu, die Besteuerungsgrundlagen festzusetzen, wenn deren tatsächliche Höhe nicht genau ermittelt werden kann. Grundlage hierfür ist § 162 der Abgabenordnung (AO). Dort ist geregelt, dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen darf, wenn die Buchführung fehlt oder nicht verwertbar ist oder wenn sonstige Mitwirkungspflichten verletzt wurden.

Die Zahl der Schätzungen in der Praxis ist beachtlich – insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen oder bei Selbstständigen ohne ordnungsgemäße Aufzeichnungssysteme. Allein im Rahmen von Außenprüfungen kommt es regelmäßig zu Schätzungen, etwa wenn Kassensysteme manipulationsanfällig sind oder Betriebsausgaben nicht nachvollziehbar dokumentiert wurden. In Branchen mit hohem Bargeldanteil, wie dem Gastgewerbe, sind Schätzungen besonders häufig.

Das Finanzamt darf jedoch nicht beliebig schätzen. Die Schätzung muss plausibel, wirtschaftlich nachvollziehbar und gesetzeskonform erfolgen. In der Praxis stellt sich dennoch oft die Frage, ob die Schätzung gerecht oder überzogen ist – denn sie kann zu erheblichen Steuermehrbeträgen führen. Wer nicht rechtzeitig reagiert oder sich nicht fachlich vertreten lässt, riskiert einen dauerhaft zu hohen Steuerbescheid.

Für viele Betroffene ist die Schätzung durch das Finanzamt eine unangenehme Erfahrung. Sie wird oft als „Strafaktion“ empfunden, obwohl sie rein formal der steuerlichen Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit dient. Die Konsequenzen sind jedoch real: Es drohen finanzielle Nachteile, Nachzahlungen und sogar Zwangsmaßnahmen wie Pfändungen, wenn die geschätzten Steuerforderungen nicht beglichen werden können.

Deshalb ist es wichtig zu wissen, wann und unter welchen Bedingungen das Finanzamt überhaupt schätzen darf, welche Grenzen dabei gelten und welche Rechte Steuerpflichtige haben. Ziel dieses Beitrags ist es, über die rechtlichen Grundlagen, die Anwendungsfälle und die praktische Bedeutung der steuerlichen Schätzung zu informieren – in klarer Sprache, mit Beispielen, aktuellen Quellen und konkreten Hinweisen zur Vermeidung von Nachteilen.

Wer sich mit dem Thema frühzeitig auseinandersetzt, kann nicht nur unnötige Konflikte mit der Finanzverwaltung vermeiden, sondern auch die eigenen steuerlichen Prozesse verbessern. Dieser Text richtet sich an steuerlich Interessierte, Unternehmer:innen, Selbstständige, Vermieter:innen – und alle, die sich auf Augenhöhe mit dem Finanzamt bewegen möchten. Denn: Schätzungen müssen nicht schicksalhaft hingenommen werden. Wer informiert ist, bleibt handlungsfähig.

2. Was ist eine steuerliche Schätzung?

Die steuerliche Schätzung ist ein behördliches Verfahren, bei dem das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen einer steuerpflichtigen Person nicht anhand eingereichter Unterlagen oder Erklärungen, sondern auf Basis eigener Berechnungen und Einschätzungen festlegt. Sie wird nicht willkürlich vorgenommen, sondern ist gesetzlich geregelt. Die zentrale Rechtsnorm hierfür ist § 162 der Abgabenordnung (AO). Demnach ist eine Schätzung zulässig, wenn die Buchführung oder Aufzeichnungen nicht vorhanden, nicht verwertbar oder in sich widersprüchlich sind oder wenn Mitwirkungspflichten verletzt wurden.

Eine Schätzung stellt keine Bestrafung dar, sondern soll die Steuerfestsetzung überhaupt erst ermöglichen. Steuerpflichtige sind nach deutschem Recht zur Mitwirkung verpflichtet – insbesondere zur Abgabe wahrheitsgemäßer Steuererklärungen sowie zur Vorlage vollständiger und überprüfbarer Unterlagen. Werden diese Pflichten nicht erfüllt, liegt es in der Verantwortung der Finanzbehörde, dennoch eine sachgerechte Besteuerung sicherzustellen.

Das Ziel einer steuerlichen Schätzung ist es, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse so realitätsnah wie möglich abzubilden – auch wenn die genauen Zahlen fehlen. Die Schätzung ersetzt dabei nicht die originäre Erklärung der steuerpflichtigen Person, sondern überbrückt einen Informationsmangel auf Grundlage verfügbarer Erkenntnisse. Je weniger Informationen die Finanzverwaltung hat, desto größer ist ihr Schätzspielraum – das kann für die Betroffenen von Nachteil sein.

Schätzungen erfolgen sowohl bei der Ermittlung von Einnahmen und Ausgaben, als auch bei der Feststellung von Gewinnen, Umsätzen oder Betriebsausgaben. Auch Privatentnahmen oder der Umfang von Leistungen können geschätzt werden, wenn diese nicht dokumentiert oder nachvollziehbar erklärt wurden. In bestimmten Fällen werden sogar geschätzte Zuschläge für nicht erklärte Umsätze oder sogenannte verdeckte Einnahmen angesetzt.

Die Finanzbehörde ist dabei verpflichtet, eine wahrscheinlichkeitsgerechte Schätzung vorzunehmen. Das bedeutet, dass sie sich an objektiven Maßstäben orientieren muss – etwa an Branchendurchschnitten, Erfahrungswerten oder den Verhältnissen früherer Jahre. Völlig spekulative oder offensichtlich überhöhte Ansätze wären rechtswidrig. Allerdings: Die Schätzung muss nicht zugunsten der steuerpflichtigen Person erfolgen. Bestehen Zweifel, kann das Finanzamt auch „sicherheitsorientiert“ nach oben abweichen – mit spürbaren finanziellen Folgen.

Eine steuerliche Schätzung kann auch pauschal oder differenziert vorgenommen werden. Pauschalschätzungen beruhen häufig auf Durchschnittswerten, während differenzierte Schätzungen auf einzelnen Parametern wie Wareneinsatz, Rohgewinnaufschlag oder Zahlungsströmen beruhen. In der Praxis finden sich Mischformen beider Methoden. Entscheidend ist stets, dass die Methode nachvollziehbar und wirtschaftlich plausibel ist – nur dann ist die Schätzung rechtlich haltbar.

Es ist auch möglich, dass bei Schätzungen externe Datenquellen einbezogen werden, etwa die sogenannte Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen, Vergleichsdaten aus Betriebsprüfungen oder Ergebnisse aus Kalkulationen vergleichbarer Betriebe. Diese Instrumente helfen, den Rahmen der Schätzung objektiv abzusichern.

Abschließend lässt sich festhalten: Eine Schätzung ist nicht nur zulässig, sondern oft notwendig, um die Besteuerung überhaupt durchzuführen. Dennoch ist sie stets eine Ausnahme vom Regelfall – der Eigenangabe. Wer transparent, fristgerecht und vollständig mitwirkt, kann eine Schätzung in der Regel vermeiden.

3. Wann darf das Finanzamt schätzen?

Die gesetzliche Grundlage für steuerliche Schätzungen ergibt sich aus § 162 der Abgabenordnung (AO). Demnach darf das Finanzamt dann schätzen, wenn die steuerpflichtige Person ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommt oder wenn die eingereichten Unterlagen für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nicht ausreichend oder nicht verwertbar sind. Eine Schätzung ist somit kein Ermessensspielraum, sondern ein zwingendes Instrument, wenn eine ordnungsgemäße Festsetzung der Steuer andernfalls nicht möglich wäre.

In der Praxis ergeben sich Schätzungen aus unterschiedlichen Anlässen. Ein häufiger Grund ist die Nichtabgabe von Steuererklärungen, selbst nach Erinnerung oder Fristverlängerung. Auch unvollständige oder widersprüchliche Angaben führen dazu, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht zuverlässig festgestellt werden können. Typische Beispiele sind fehlende Einnahmeaufzeichnungen, nicht belegte Betriebsausgaben oder fehlerhafte Kassenbuchführungen.

Ein weiterer häufiger Anlass ist eine formell oder materiell fehlerhafte Buchführung. So gilt eine Buchführung etwa dann als formell nicht ordnungsgemäß, wenn sie gegen gesetzliche Aufzeichnungspflichten verstößt, z. B. bei Verstößen gegen § 146 AO (Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung) oder § 22 UStG (Aufzeichnungspflichten für die Umsatzsteuer). Materielle Mängel liegen hingegen vor, wenn die Buchführung nicht das wirtschaftlich zutreffende Ergebnis abbildet – z. B. durch falsche Bewertung von Waren oder nicht erfasste Umsätze.

Eine Schätzung kann auch erfolgen, wenn Kontrollmaterial vorliegt, das Zweifel an den Angaben der steuerpflichtigen Person begründet. Hierzu zählen insbesondere Kontrollmitteilungen anderer Behörden oder Dritter, Hinweise aus Betriebsprüfungen, anonyme Anzeigen oder Abweichungen bei Kassennachschauen gemäß § 146b AO. Auch der Einsatz von Kassensystemen ohne zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) kann zur Schätzungsbefugnis führen.

Besonders sensibel sind Fälle, in denen die Buchführung vollständig fehlt oder offensichtlich manipuliert wurde. Hier hat die Finanzbehörde nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Denn ohne valide Zahlen ist keine gleichmäßige und gerechte Besteuerung möglich. Das gilt unabhängig von der Steuerart und betrifft sowohl Einkommens-, Gewerbe- als auch Umsatzsteuer.

Die Finanzämter können ihre Schätzung auf unterschiedliche Informationsquellen und Methoden stützen. Erlaubt ist dabei jede sachgerechte Methode, die zu einem wirtschaftlich realistischen Ergebnis führt. Welche Methode gewählt wird, hängt vom Einzelfall ab – beispielsweise von der Art des Betriebs, der Branche, dem vorhandenen Datenmaterial und der bisherigen Verfahrensgeschichte. In vielen Fällen greifen die Behörden auf die Richtsatzsammlung zurück oder nutzen Vergleichsbetriebe.

Wichtig ist: Die Schätzung darf nicht willkürlich sein. Sie muss nachvollziehbar, verhältnismäßig und sachlich begründet sein. Die Gerichte verlangen dabei, dass die gewählte Schätzungsmethode im konkreten Fall geeignet ist, die Besteuerungsgrundlagen möglichst zutreffend zu ermitteln. Andernfalls besteht die Möglichkeit, gegen den Bescheid Rechtsmittel einzulegen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Finanzamt darf dann schätzen, wenn es wegen fehlender, unvollständiger oder fehlerhafter Mitwirkung keine andere Möglichkeit hat, die Steuer festzusetzen. Wer also seine Unterlagen korrekt führt und pünktlich einreicht, hat in aller Regel keine Schätzung zu befürchten. Die Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen hilft auch dabei, fehlerhafte Schätzungen zu erkennen und wirksam zu bekämpfen.

4. Welche Steuerarten sind betroffen?

Eine steuerliche Schätzung kann grundsätzlich bei allen Steuerarten vorgenommen werden, bei denen die Besteuerungsgrundlagen nicht zuverlässig ermittelt werden können. Das bedeutet, dass Schätzungen nicht auf einzelne Steuerarten beschränkt sind, sondern überall dort zur Anwendung kommen, wo Unsicherheiten oder Lücken in den steuerrelevanten Angaben bestehen.

Besonders häufig betrifft dies die EinkommensteuerUmsatzsteuerGewerbesteuer sowie die Körperschaftsteuer.

Bei der Einkommensteuer wird insbesondere bei Einnahmen-Überschuss-Rechner:innen geschätzt, wenn keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen vorgelegt werden. Fehlen z. B. Einnahmebelege, Fahrtenbücher oder eine nachvollziehbare Aufteilung privater und betrieblicher Kosten, kann das Finanzamt die Einnahmen oder auch den Gewinn durch Vergleichswerte oder Branchendaten schätzen. Auch bei Vermietungseinkünften sind Schätzungen möglich, wenn Mieteinnahmen nicht belegt oder Werbungskosten nicht ausreichend nachgewiesen sind.

Die Umsatzsteuer ist ebenfalls häufig von Schätzungen betroffen, insbesondere bei Unternehmen mit Bargeschäften. Wenn Kassenaufzeichnungen fehlen, fehlerhaft geführt wurden oder ein Kassensystem ohne technische Sicherheitseinrichtung genutzt wird, kann das Finanzamt die Umsätze schätzen. Dabei kommt es regelmäßig zu Zuschätzungen auf die erklärten Umsätze, insbesondere wenn Unstimmigkeiten zwischen Wareneinsatz und Erlösen vorliegen oder Kontrollmitteilungen andere Zahlen ergeben.

Auch die Gewerbesteuer kann Gegenstand einer Schätzung sein. Da sie auf dem gewerblichen Gewinn basiert, der seinerseits aus der Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuer-Erklärung abgeleitet wird, überträgt sich jede Schätzung dort unmittelbar auf die Gewerbesteuer. Schätzungen erfolgen hier meist indirekt über den Gewinn oder durch Anpassungen bei Hinzurechnungen oder Kürzungen, falls entsprechende Angaben fehlen.

Im Bereich der Körperschaftsteuer sind vor allem Kapitalgesellschaften betroffen, wenn sie keine oder fehlerhafte Jahresabschlüsse einreichen. Schätzungen erfolgen dann anhand der Bilanzentwicklung vergangener Jahre, Branchenkennzahlen oder durch Hochrechnung bekannter Teilwerte. Auch hier sind die Auswirkungen meist erheblich, da Körperschaften regelmäßig mehreren Steuerarten gleichzeitig unterliegen.

Neben diesen Hauptsteuerarten kann es auch in Spezialbereichen zu Schätzungen kommen, etwa bei der Lohnsteuer, wenn Arbeitgeber keine ordnungsgemäßen Lohnkonten führen, oder bei der Kapitalertragsteuer, wenn Ausschüttungen nicht erklärt wurden. Ebenso möglich sind Schätzungen bei Verbrauchsteuern, sofern keine zutreffenden Mengen- oder Produktionsangaben gemacht wurden.

Übersicht: Typische Schätzungsanlässe nach Steuerart

Steuerart

Typische Schätzungsanlässe

Einkommensteuer

Unvollständige Einnahme-/Ausgabenaufzeichnungen, fehlende Belege

Umsatzsteuer

Mangelhafte Kassenführung, Manipulationen, fehlende TSE

Gewerbesteuer

Fehlende Gewinnermittlung, unplausible Betriebsausgaben

Körperschaftsteuer

Fehlender Jahresabschluss, Widersprüche in Bilanz oder GuV

Lohnsteuer

Nichtgeführte Lohnkonten, unklare Beschäftigungsverhältnisse

In der Praxis zeigt sich, dass insbesondere bei BargeldbetriebenGastronomieHandwerkEinzelhandel und Dienstleistungsunternehmen mit geringem Dokumentationsgrad regelmäßig Schätzungen vorgenommen werden. Auch Privatpersonen können betroffen sein – etwa bei der Vermietung von Immobilien oder beim Verkauf von Kryptowährungen, sofern keine vollständige Dokumentation vorliegt.

Damit ist klar: Eine Schätzung ist kein Spezialfall für Ausnahmeunternehmen, sondern ein zentrales Instrument der Finanzverwaltung zur Sicherstellung der Steuerpflicht. Gerade deshalb sollten alle Steuerpflichtigen darauf achten, ihre Mitwirkungspflichten umfassend zu erfüllen, um eine Schätzung zu vermeiden oder zumindest nachvollziehbar zu halten.

5. Wie hoch darf das Finanzamt schätzen?

Die Höhe einer steuerlichen Schätzung richtet sich nach dem Grundsatz der Wahrscheinlichkeit und Angemessenheit. Die Finanzbehörde hat laut § 162 AO die Pflicht, die Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie „mit der Wirklichkeit im Einklang stehen“. Das bedeutet, dass jede Schätzung nachvollziehbar und wirtschaftlich plausibel sein muss – zugleich darf sie sich nicht ausschließlich zugunsten oder zulasten der steuerpflichtigen Person auswirken. Eine völlige Willkür ist rechtlich unzulässig.

In der Praxis orientieren sich die Finanzämter an branchenspezifischen RichtsätzenVergleichswerten aus ähnlichen Betrieben sowie an vergangenen Verhältnissen des betroffenen Unternehmens. Ergänzend werden mathematische Methoden verwendet, um die Größenordnung der Besteuerungsgrundlagen realistisch abzuschätzen. Besonders bei fehlenden Kassenaufzeichnungen oder bei Bargeschäften kommen detaillierte Verfahren zur Anwendung.

Die Höhe einer Schätzung hängt stark vom Einzelfall ab. Je gravierender die Buchführungsmängel, desto größer ist der Schätzungsspielraum. Wenn etwa keine Einnahmenaufzeichnungen vorliegen, kann das Finanzamt anhand der eingesetzten Waren, des Personalaufwands oder der Mietkosten Rückschlüsse auf die tatsächlichen Umsätze ziehen. In Gastronomiebetrieben erfolgt häufig eine Rückwärtskalkulation über den Wareneinsatz.

Folgende Übersicht zeigt typische Methoden zur Schätzung und die jeweils damit verbundenen Anwendungsfälle:

Schätzungsmethode

Beschreibung und Anwendung

Richtsatzschätzung

Nutzung branchenspezifischer Gewinn- und Umsatzsätze laut BMF-Richtsätzen

Geldverkehrsrechnung

Gegenüberstellung von privaten Einnahmen und Ausgaben

Vermögenszuwachsrechnung

Vergleich von Anfangs- und Endvermögen innerhalb eines Jahres

Chi-Quadrat-Test

Statistisches Verfahren zur Prüfung der Zufälligkeit von Kassendaten

Zeitreihenvergleich

Vergleich der Entwicklung über mehrere Jahre

Rückwärtskalkulation

Umsatzermittlung auf Basis von Wareneinsatz und Rohgewinnaufschlägen

Innerer Betriebsvergleich

Vergleich verschiedener Filialen oder Geschäftsbereiche im selben Unternehmen

Ein Beispiel aus der Praxis: Wird in einem Restaurant ein überdurchschnittlich hoher Wareneinsatz festgestellt, aber nur durchschnittliche Umsätze erklärt, kann das Finanzamt den Umsatz anhand des Rohgewinnaufschlagsatzes der Branche hochrechnen und Zuschätzungen vornehmen. Dabei darf ein Sicherheitszuschlag hinzugerechnet werden, wenn Verdachtsmomente für verdeckte Einnahmen bestehen.

Es ist zulässig, mehrere Methoden zu kombinieren – etwa Zeitreihenvergleich plus Richtsatz plus Rückwärtskalkulation. Je mehr Indizien vorliegen, desto stabiler ist die Schätzung gegenüber einem möglichen Einspruch oder einer Klage. Das Finanzamt ist allerdings auch verpflichtet, die gewählte Methode offenzulegen und zu begründen.

Grenzen bestehen dort, wo die Schätzung völlig aus dem Rahmen fällt. Überhöhte Zuschätzungen, die in keinem Verhältnis zur Betriebssituation stehen, können vom Finanzgericht als „rechtswidrig“ eingestuft werden (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 25.06.2019 – X R 8/17).

Die steuerpflichtige Person hat das Recht, eine Gegenschätzung mit alternativen Zahlen und Erklärungen vorzulegen. Wer seine Mitwirkungspflichten vollständig erfüllt und dennoch eine unangemessen hohe Schätzung erhält, sollte aktiv werden: Einspruch einlegen, Unterlagen nachreichen, eine Gegenrechnung aufstellen – und sich gegebenenfalls fachlich beraten lassen. Denn die Höhe einer Schätzung ist nicht unverrückbar, sondern immer überprüfbar.

Für eine Beratung stehe ich Ihnen auf Wunsch jederzeit gerne zur Verfügung. Verwenden Sie hierfür bitte das Kontaktformular auf dieser Website.

6. Was kann gegen eine Schätzung unternommen werden?

Eine steuerliche Schätzung ist kein endgültiges Urteil. Wer mit einem Schätzungsbescheid des Finanzamts nicht einverstanden ist, hat mehrere rechtliche und praktische Möglichkeiten, um dagegen vorzugehen. Wichtig ist dabei vor allem, schnell zu reagieren – denn gegen einen Steuerbescheid läuft eine Einspruchsfrist von einem Monat ab Bekanntgabe gemäß § 355 AO.

Der erste und häufigste Schritt ist der Einspruch nach § 347 AO. Er ermöglicht es, dem Finanzamt mitzuteilen, dass man mit der Festsetzung nicht einverstanden ist und diese überprüft werden soll. Der Einspruch muss schriftlich oder elektronisch (z. B. über ELSTER) erfolgen. Gleichzeitig sollte die Person konkrete Unterlagen oder Argumente nachreichen, mit denen die Schätzung widerlegt oder korrigiert werden kann.

Ist der Einspruch begründet und gut dokumentiert, kann das Finanzamt den Bescheid ändern oder sogar komplett aufheben. Dazu genügt oft schon die Nachreichung von Unterlagen, die zum Zeitpunkt der Schätzung fehlten – etwa Einnahmeübersichten, Kassenberichte, Belege über Betriebsausgaben oder sachlich nachvollziehbare Gegenkalkulationen. Je mehr Transparenz geschaffen wird, desto größer sind die Erfolgschancen.

Wird der Einspruch vom Finanzamt abgelehnt, steht der Weg zum Finanzgericht offen. Innerhalb eines Monats nach der Einspruchsentscheidung kann Klage nach § 40 FGO (Finanzgerichtsordnung) erhoben werden. Auch dort gilt: Je besser die eigene Berechnung oder Begründung vorbereitet ist, desto eher kann das Gericht zugunsten der Steuerpflichtigen entscheiden. Besonders hilfreich sind steuerliche Gegenschätzungen, die nach anerkannten Methoden durchgeführt wurden.

In der Praxis hilfreich sind auch vermittelnde Gespräche mit der Sachbearbeitung des Finanzamts, insbesondere im Rahmen von Aussetzungsanträgen oder einer tatsächlichen Verständigung. Auch wenn die Schätzung formal korrekt war, kann eine Korrektur einvernehmlich erfolgen, sofern neue Tatsachen dargelegt werden.

Übersicht:  

Maßnahme

Inhalt / Wirkung

Einspruch (§ 347 AO)

Formelles Rechtsmittel gegen den Steuerbescheid

Nachreichen von Unterlagen

Belege und Erklärungen zur Widerlegung der Schätzung

Gegenschätzung

Eigene Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mit nachvollziehbarer Methode

Klage (§ 40 FGO)

Anrufung des Finanzgerichts nach ablehnendem Einspruchsbescheid

Vermittlung mit Finanzamt

Gespräche zur einvernehmlichen Anpassung des Bescheids bei neuen Sachverhalten

Tipp: Wer gegen einen sog. Schätzbescheid, also gegen einen Steuerbescheid, der auf einer Schätzung beruht, Einspruch einlegt, sollte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO beantragen, um zu verhindern, dass die geschätzte Steuerforderung nach Ablauf der Fälligkeit vollstreckt wird. Diese Aussetzung kann gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen.

Insgesamt zeigt sich: Steuerpflichtige sind einer Schätzung nicht schutzlos ausgeliefert. Sie haben eine Vielzahl an rechtlichen Mitteln zur Verfügung, um überhöhte oder fehlerhafte Festsetzungen zu korrigieren. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der zeitnahen Reaktionguter Dokumentation und – wenn nötig – der Unterstützung durch professionelle Beratung.

Hierfür stehe ich Ihnen auf Wunsch jederzeit gerne zur Verfügung. Verwenden Sie dafür bitte das Kontaktformular auf dieser Website.

7. Wie können Schätzungen vermieden werden?

Der wirksamste Weg, eine steuerliche Schätzung zu vermeiden, ist die vollständige und fristgerechte Mitwirkung gegenüber dem Finanzamt. Denn Schätzungen erfolgen in der Regel nur dann, wenn die erklärungspflichtige Person ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachkommt oder wenn gravierende Mängel in der Buchführung oder Dokumentation vorliegen. Wer seine steuerlichen Pflichten kennt und ernst nimmt, kann die meisten Schätzungsrisiken frühzeitig ausschließen.

Grundlage für die ordnungsgemäße Mitwirkung sind vor allem die Vorschriften in der Abgabenordnung (AO), insbesondere §§ 90 bis 93 AO. Diese regeln die Auskunfts-, Vorlage- und Aufzeichnungspflichten für Steuerpflichtige. Die wichtigsten Schutzmaßnahmen gegen eine drohende Schätzung lassen sich in folgende Kategorien unterteilen:

Übersicht: Maßnahmen zur Vermeidung von Schätzungen

Maßnahme

Beschreibung

Ordnungsgemäße Buchführung

Nach GoBD, vollständig, systematisch, nachvollziehbar

Fristgerechte Steuererklärungen

Pünktliche und vollständige Abgabe sämtlicher Erklärungen

Vollständige Belegsammlung

Lückenlose Nachweise für Einnahmen, Ausgaben, Fahrten, Wareneinsatz etc.

Einsatz zertifizierter Kassensysteme

Bei Bargeldbetrieben Pflicht, sonst droht Zuschätzung

Zeitnahe Dokumentation

Aufzeichnungen möglichst zeitnah erstellen (z. B. Kassenbuch täglich)

Plausibilitätskontrollen intern

Regelmäßige interne Prüfung von Rohgewinnaufschlägen oder Wareneinsatzquoten

In Branchen mit hohem Bargeldanteil – wie Gastronomie, Taxi, Friseur, Einzelhandel – ist besonders auf den Einsatz manipulationssicherer Kassensysteme mit technischer Sicherheitseinrichtung (TSE) zu achten. Verstöße hiergegen führen regelmäßig zu Hinzuschätzungen durch die Finanzbehörde (vgl. BMF-Schreiben vom 28. November 2019 zur Kassensicherungsverordnung).

Ein weiterer kritischer Punkt ist die zeitnahe und systematische Belegführung. Werden Belege gesammelt, aber verspätet oder gar nicht verbucht, können sie von der Betriebsprüfung als nicht ordnungsgemäß bewertet werden. Auch fehlerhafte oder lückenhafte Fahrtenbücher, nicht dokumentierte Entnahmen oder überhöhte Betriebsausgaben können Zweifel wecken und damit Schätzungen nach sich ziehen.

Hilfreich ist die regelmäßige betriebsinterne Kontrolle, etwa durch betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA), Rohgewinnrechnungen, Abweichungsanalysen oder Kassensturzproben. So lassen sich Unstimmigkeiten frühzeitig erkennen und beseitigen – bevor das Finanzamt aktiv wird.

Zusätzlich kann der Kontakt mit dem Finanzamt präventiv gesucht werden, wenn Unklarheiten bestehen. Eine proaktive Mitteilung bei Problemen oder Unsicherheiten (z. B. Verlust von Belegen, Systemumstellungen) wird in der Regel positiv bewertet und kann dazu führen, dass auf eine Schätzung verzichtet wird.

Abschließend gilt: Wer die eigenen steuerlichen Abläufe professionell organisiert, vermeidet nicht nur Schätzungen – sondern sorgt für mehr Sicherheit, Planbarkeit und Verlässlichkeit im gesamten Finanz- und Steuerbereich. Die Investition in Ordnung und Transparenz zahlt sich aus – insbesondere für Selbstständige, Unternehmer:innen und Vermieter:innen.

8. Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei Schätzungen?

Die fortschreitende Digitalisierung verändert die Arbeit der Finanzbehörden – und damit auch die Praxis steuerlicher Schätzungen. Auf der einen Seite eröffnen digitale Technologien neue Möglichkeiten zur Vermeidung von Schätzungen, etwa durch automatisierte Buchhaltungsprozesse, Echtzeit-Reporting und revisionssichere Kassensysteme. Auf der anderen Seite ermöglicht die Digitalisierung der Finanzverwaltung präzisere Kontrollmethoden und einen tieferen Datenzugriff, wodurch fehlerhafte oder manipulierte Angaben schneller erkannt werden können.

Ein zentrales Element ist dabei das Konzept der „digitalen Betriebsprüfung“, das sich im Zuge der Einführung der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) etabliert hat. Bereits heute fordern Prüfer regelmäßig sogenannte GDPdU-Daten (frühere Bezeichnung, heute GoBD-Export) an, um Geschäftsvorfälle elektronisch zu analysieren – beispielsweise mit IDEA oder anderen Prüfprogrammen.

Auch die Kassen-Nachschau nach § 146b AO, die seit 2018 möglich ist, basiert auf digitalen Prüfmechanismen. Dabei kann das Finanzamt ohne vorherige Ankündigung Einsicht in Kassendaten verlangen und die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an TSE-Systeme überprüfen. Bei Unregelmäßigkeiten droht die sofortige Schätzung.

Die Digitalisierung wirkt zudem durch den Ausbau zentraler Register und Datenbanken – etwa bei der Kontoabfrage nach § 93 Abs. 7 AO, der Erweiterung des Transparenzregisters, bei automatisierten Kontrollmitteilungen, dem elektronischen Lohnnachweis oder dem zunehmenden Austausch mit anderen Behörden (z. B. Rentenversicherung, Zoll, BA). Dadurch steigt die Datenbasis, auf die eine Schätzung gestützt werden kann, erheblich.

Auf der positiven Seite bietet die Digitalisierung jedoch auch effektive Schutzmechanismen: Wer digitale Buchführungslösungen einsetzt, regelmäßige Backups erstellt, GoBD-konform archiviert und seine Buchhaltungsdaten periodisch plausibilisiert, schafft eine hohe Transparenz gegenüber dem Finanzamt – und senkt damit das Risiko einer Schätzung.

Übersicht: Digitale Entwicklungen mit Einfluss auf Schätzungen

Digitales Instrument

Bedeutung im Kontext von Schätzungen

GoBD-konforme Buchhaltung

Klare Anforderungen, deren Einhaltung Schätzungsrisiken reduziert

Kassensicherungsverordnung (KassenSichV)

Pflicht zur Verwendung TSE-gesicherter Kassensysteme seit 2020

IDEA/Prüfsoftware der Finanzämter

Automatisierte Aufdeckung von Lücken oder Auffälligkeiten in Buchhaltungen

Kassen-Nachschau (§ 146b AO)

Unangekündigte Vor-Ort-Prüfung mit Zugriff auf elektronische Kassendaten

ELSTER & E-Bilanz

Digitale Steuerübermittlung, aber auch Vergleichsmöglichkeiten

Zentrale Registerdaten

Nutzung behördlicher Daten zur Verprobung und Plausibilitätsprüfung

9. Was sind typische Fehlerquellen bei Steuerpflichtigen?

Die häufigsten Ursachen für steuerliche Schätzungen liegen nicht in betrügerischer Absicht, sondern in vermeidbaren Versäumnissen. Viele Steuerpflichtige unterschätzen die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Buchführung oder der fristgerechten Abgabe ihrer Erklärungen. Oft fehlt es an Struktur, Zeitmanagement oder schlicht an Wissen über die Anforderungen der Finanzverwaltung.

Ein klassischer Fehler ist die unzureichende Kassenführung. Wer als Unternehmer:in Barumsätze erzielt, muss diese täglich, vollständig und manipulationssicher aufzeichnen. Fehlerhafte oder nachträglich erstellte Kassenberichte gelten als nicht ordnungsgemäß. Auch das Fehlen einer technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ist ein häufiger Grund für Hinzuschätzungen.

Ebenfalls problematisch ist die fehlende Trennung zwischen privaten und betrieblichen Ausgaben. Gerade bei Selbstständigen kommt es häufig vor, dass private Anschaffungen über das Geschäftskonto laufen oder umgekehrt. Ohne saubere Dokumentation kann das Finanzamt diese Ausgaben nicht anerkennen – und muss sie ggf. herausrechnen oder schätzen.

Weitere Fehlerquellen liegen in der nicht vollständigen Belegsammlung. Betriebsausgaben, die nicht durch Rechnungen oder Quittungen belegt sind, können gestrichen oder durch Pauschalen ersetzt werden. Auch fehlende Fahrtenbücher, nicht belegte Bewirtungskosten oder fehlerhafte Reisekostenabrechnungen führen regelmäßig zu Beanstandungen.

Zu den häufigen Versäumnissen gehört auch die nicht rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen. Wer seine Pflichten über Monate oder Jahre ignoriert, provoziert regelrecht eine Schätzung – teils auf Basis unvorteilhafter Schätzformeln oder Richtsätze. Gleiches gilt für nicht beantwortete Rückfragen oder Prüfungsanordnungen.

Ein oft unterschätzter Fehler ist die Unkenntnis über branchenspezifische Besonderheiten. Bestimmte Berufsgruppen haben eigene Richtsatzvorgaben oder besondere Dokumentationspflichten (z. B. Fahrlehrer:innen, Gastronomie, Handwerk, Freiberufler:innen). Wer diese nicht kennt, riskiert formale Mängel.

Übersicht: Typische Fehlerquellen mit Schätzungsrisiko

Fehlerquelle

Risiko / Auswirkung

Fehlende oder ungenaue Kassenführung

Schätzung von Umsätzen, vor allem bei Bargeschäften

Vermischung von privat und betrieblich

Nichtanerkennung von Betriebsausgaben oder verdeckte Entnahmen

Unvollständige Belege

Ablehnung von Ausgaben, Ansatz von Pauschalwerten

Fehlende Fahrtenbücher

Schätzung der Privatanteile bei Fahrzeugkosten

Verspätete Steuererklärungen

Schätzung nach Richtsätzen oder Erfahrungswerten

Branchenspezifische Unkenntnis

Fehlerhafte Anwendung von Vorschriften oder Nichterfüllung von Pflichten

Fazit: Viele Schätzungen lassen sich vermeiden, wenn typische Fehler rechtzeitig erkannt und abgestellt werden. Eine strukturierte Belegorganisation, professionelle Beratung und regelmäßige Selbstkontrolle sind der beste Schutz vor unerwarteten Zuschätzungen.

10. Fazit und Handlungsempfehlung

Steuerliche Schätzungen gehören zu den Eingriffsmöglichkeiten der Finanzbehörden, die sowohl rechtlich zulässig als auch praktisch notwendig sind – und dennoch oft als belastend oder ungerecht empfunden werden. Der Schätzungsmechanismus soll sicherstellen, dass Besteuerungsgrundlagen auch dann festgestellt werden können, wenn die steuerpflichtige Person ihrer Mitwirkungspflicht nicht genügt. Dabei ist die Schätzung kein Strafinstrument, sondern eine methodische Konsequenz aus fehlenden, widersprüchlichen oder zweifelhaften Angaben.

Wer die Entstehung, die rechtlichen Grundlagen und die Grenzen einer steuerlichen Schätzung kennt, kann im Ernstfall besser reagieren – oder noch besser: sich rechtzeitig so aufstellen, dass es gar nicht erst zu einer Schätzung kommt. Die Beispiele und Tabellen dieses Beitrags zeigen, dass typische Fehler oder Versäumnisse mit vergleichsweise einfachen Mitteln vermieden werden können.

Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung gilt: Ordnung, Transparenz und vorausschauende Planung schützen. Wer seine Buchführung GoBD-konform organisiert, digitale Kassensysteme einsetzt, alle Belege vollständig archiviert und steuerliche Pflichten ernst nimmt, schafft Vertrauen – und reduziert das Risiko unangenehmer Zuschätzungen.

Die wichtigsten Handlungsempfehlungen lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen:

  1. Fristen einhalten: Steuererklärungen und Unterlagen rechtzeitig abgeben, Rückfragen beantworten.

  2. Belege vollständig führen: Keine Lücken in der Dokumentation, besonders bei Kassen, Fahrtenbüchern und Bewirtungen.

  3. Digitale Standards umsetzen: TSE-Kassensysteme, GoBD-konforme Archivierung, ELSTER- sowie E-Bilanz-Übermittlungen.

  4. Selbstkontrolle etablieren: BWA prüfen, Rohgewinn vergleichen, Kassenberichte regelmäßig durchsehen.

  5. Bei Problemen aktiv werden: Kontakt zum Finanzamt suchen, Unsicherheiten offenlegen, Beratung nutzen (hierfür stehe ich Ihnen auf Wunsch jederzeit gerne zur Verfügung. Verwenden Sie dafür bitte das Kontaktformular auf dieser Website).

Besonders Selbstständige, Unternehmer:innen, Vermieter:innen und kleine Betriebe sollten sich dieser Verantwortung bewusst sein. Wer vorbereitet ist, bleibt souverän – auch bei Prüfungen oder Rückfragen durch das Finanzamt.

Abschließend gilt: Steuerliche Schätzungen sind vermeidbar. Sie lassen sich korrigieren. Und sie sind kein Grund zur Resignation, sondern zur Struktur. Wer seine Pflichten kennt, kann seine Rechte erfolgreich wahrnehmen.

Ähnlich gilt dies auch für die Digitalisierung. Sie ist Fluch und Segen zugleich. Sie verschärft einerseits die Prüfdichte und erhöht die Transparenzanforderungen – schafft andererseits jedoch auch neue Werkzeuge zur Vermeidung von Fehlern und Unsicherheiten. Wer digitale Lösungen sachgerecht nutzt, kann nicht nur eine Schätzung vermeiden, sondern auch Zeit und Ressourcen sparen.

  Möglichkeiten gegen eine Schätzung

Maßnahme

Inhalt / Wirkung

Einspruch (§ 347 AO)

Formelles Rechtsmittel gegen den Steuerbescheid

Nachreichen von Unterlagen

Belege und Erklärungen zur Widerlegung der Schätzung

Gegenschätzung

Eigene Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mit nachvollziehbarer Methode

Klage (§ 40 FGO)

Anrufung des Finanzgerichts nach ablehnendem Einspruchsbescheid

Vermittlung mit Finanzamt

Gespräche zur einvernehmlichen Anpassung des Bescheids bei neuen Sachverhalten.

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